„Auch in Mexico City kommuniziert Valeska Peschke mit den Menschen: Sie bedient sich eines sehr populären Mediums, des Comics. Die neue Heldin Lagua, die auf den Straßen und Plätzen Mexikos auftritt, bezieht ihre Energien von den Menschen dieser Stadt. Wenn sie ihr beistehen, kann Lagua diese Energien positiv einsetzen, wenn nicht, wird sie zum Dämon. Lagua ist doppelgesichtig – ein hilfebedürftiges Wesen und gleichzeitig auch eine zerstörerische Kraft“34
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“Mexico City turns into a fluid society, a transitory water world. Lagua is flowing through all of us.”*In Mexico City, too, Valeska Peschke communicates with people; she does this by means of an extremely popular medium, namely comics. The new heroine, Lagua, who is a presence on the streets and squares of Mexico, draws her energy from the people of this city. When they stand by her, Lagua can use this energy for positive purposes, but when they don’t Lagua becomes a demon. Lagua is two-faced: a creature in need of help but also a destructive force.34
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*Unveröffentlichter Text von Valeska Peschke / Unpublished text by Valeska Peschke.
34 Ganado Kim; Scherer (Hrsg. / ed.) (2003), S. / p. 22.
34 Ganado Kim; Scherer (Hrsg. / ed.) (2003), S. / p. 22.
Lagua, Jorge Reynoso
Wir Mexikaner haben generell eine Vorliebe für Piktographie und Comic-Strips. Manche interpretieren diese Tatsache als Folge einer fehlenden Lesekultur bei der Mehrheit der Bevölkerung - ein Argument, das angesichts der zahlreichen Leser von Literatur, die heutzutage in den öffentlichen Verkehrsmitteln zu beobachten sind, widerlegt werden kann. Andere erklären es als Folge einer in prähispanischen Epochen entwickelten visuellen Kultur. Eines aber ist gewiss: Kinder wie Erwachsene haben ihren Spaß an einheimischen wie ausländischen, komischen oder tragischen, historischen oder futuristischen Comics. Diese Vorliebe ist andererseits besonders ausgeprägt bei den minderbemittelten sozialen Schichten, weshalb Regierungen und politische Parteien ebenso wie wie religiöse Verbindungen viele ihrer Botschaften in diesem populären Format vermitteln. Die in Mexiko produzierten Comics umfassen ein breites Spektrum an Genres, die sich häufig vermischen: Krimis, romantische Liebesgeschichten, Storys aus dem amerikanischen Wilden Westen, Softpornos, Kombinationen aus politischer und erotischer Komik und so weiter. In neuerer Zeit hat der Einfluss sowohl des US-amerikanischen Comics als auch des japanischen Manga an Bedeutung gewonnen. Neben den Helden der importierten Comics waren viele Jahrzehnte lang die populärsten Gestalten lateinamerikanischen Ursprungs el Santo, ein Ringkämpfer mit silberner Maske (der auch in Wirklichkeit existierte), Kalimán mit seinem Turban und seinen mächtigen mentalen Fähigkeiten, Chanoc, ein alter Seemann, Fantomas, der elegante Dieb, und Hermelinda Linda, eine Furcht erregende, dicke Hexe.
Lagua, die von Peschke ersonnene Heldin, entsprang einer etwas internationaleren Inspiration als die zuvor Genannten. Sie entstammt dem alternativen Comic, der in den sechziger Jahren aufkam (eine Tendenz, die auch ihren Ausdruck in der mexikanischen Kultur fand) und in dem der Superheld viel klarer seine Schattierungen und dunklen Seiten offenbart. Seit sich die Künstlerin für das Comic als Format ihrer Arbeit entschieden hatte, verband sie damit die Absicht, einen dem mexikanischen Geist gemäßen, tragischen Held heraufzubeschwören; unter der Erde beheimatet, sollte er die Wirkung der Energie dieser Stadt und ihrer Menschen so ausgeliefert sein als wäre diese ein körperlicher Ausdruck des Karma. Der Name Lagua, Apokope von „El agua“, feminisiert das Wort und verleiht der tragischen Gestalt einen noch alternativeren Charakter in einem Umfeld des zur Schau gestelltem Machismo und des versteckten und subtilen Matriarchats, das die Rechte der undankbaren Söhne verteidigt. Im Unterschied zur erwachsenen Mutter sind die jungen Frauen sowohl der Begierde als auch der Aggression ausgesetzt. In der mexikanischen Kultur werden sie als ein Gut aufgefasst, das ständig Gefahr läuft, seine Reinheit zu verlieren, weshalb die Identifikation mit dem Wasser eine geglückte Metapher darstellt.
Peschke realisierte ihr Comic in den Formaten und mit den Methoden, die auch kommerzielle Anbieter einsetzen. Sie griff auf einen professionellen Illustrator und einen ebensolchen Autor zurück und druckte das Comic in einem Unternehmen, das sich der Massenproduktion in diesem Genre widmet. Das Endprodukt mit mehr poetischen als erzählerischen Inhalten, das aber durchaus etwa den Standards von Marvel Comics entsprach, erschien nicht mehr innerhalb des Zeitraums der Stadtinterventionen von aguawasser. Dies vorhersehend, entwarf Peschke Plakate, die das bevorstehende Erscheinen von Lagua ankündigten und die, unter anderen Orten, am 24. Januar 2002 an den Gittern des Templo de San Agustín angebracht wurden. Obgleich die spätere Präsentation des Comics in einer berühmten Cantina (volkstümliche mexikanische Kneipe, Anm. der Redaktion) stattfand, erschien die Veranstaltung als das, was sie tatsächlich war: ein Akt zeitgenössischer Kunst und kein volkstümliches Ereignis. Auf der anderen Seite war sich die Künstlerin bewusst, dass man die Wirkung der Massenkultur nicht fern den Impulsen und Motiven anstreben kann, die jene hervorbringen.
Lagua, die von Peschke ersonnene Heldin, entsprang einer etwas internationaleren Inspiration als die zuvor Genannten. Sie entstammt dem alternativen Comic, der in den sechziger Jahren aufkam (eine Tendenz, die auch ihren Ausdruck in der mexikanischen Kultur fand) und in dem der Superheld viel klarer seine Schattierungen und dunklen Seiten offenbart. Seit sich die Künstlerin für das Comic als Format ihrer Arbeit entschieden hatte, verband sie damit die Absicht, einen dem mexikanischen Geist gemäßen, tragischen Held heraufzubeschwören; unter der Erde beheimatet, sollte er die Wirkung der Energie dieser Stadt und ihrer Menschen so ausgeliefert sein als wäre diese ein körperlicher Ausdruck des Karma. Der Name Lagua, Apokope von „El agua“, feminisiert das Wort und verleiht der tragischen Gestalt einen noch alternativeren Charakter in einem Umfeld des zur Schau gestelltem Machismo und des versteckten und subtilen Matriarchats, das die Rechte der undankbaren Söhne verteidigt. Im Unterschied zur erwachsenen Mutter sind die jungen Frauen sowohl der Begierde als auch der Aggression ausgesetzt. In der mexikanischen Kultur werden sie als ein Gut aufgefasst, das ständig Gefahr läuft, seine Reinheit zu verlieren, weshalb die Identifikation mit dem Wasser eine geglückte Metapher darstellt.
Peschke realisierte ihr Comic in den Formaten und mit den Methoden, die auch kommerzielle Anbieter einsetzen. Sie griff auf einen professionellen Illustrator und einen ebensolchen Autor zurück und druckte das Comic in einem Unternehmen, das sich der Massenproduktion in diesem Genre widmet. Das Endprodukt mit mehr poetischen als erzählerischen Inhalten, das aber durchaus etwa den Standards von Marvel Comics entsprach, erschien nicht mehr innerhalb des Zeitraums der Stadtinterventionen von aguawasser. Dies vorhersehend, entwarf Peschke Plakate, die das bevorstehende Erscheinen von Lagua ankündigten und die, unter anderen Orten, am 24. Januar 2002 an den Gittern des Templo de San Agustín angebracht wurden. Obgleich die spätere Präsentation des Comics in einer berühmten Cantina (volkstümliche mexikanische Kneipe, Anm. der Redaktion) stattfand, erschien die Veranstaltung als das, was sie tatsächlich war: ein Akt zeitgenössischer Kunst und kein volkstümliches Ereignis. Auf der anderen Seite war sich die Künstlerin bewusst, dass man die Wirkung der Massenkultur nicht fern den Impulsen und Motiven anstreben kann, die jene hervorbringen.
Jorge Reynoso, born in Mexico City, Mexico, studied at Vassar College, the California Institute of the Arts, and Architecture at UNAM. Since 1991 Reynoso worked as a curator and museographer of contemporary art projects.
Text aus dem Katalog zur Ausstellung: Ganado Kim, Edgardo; Scherer, Bernd M. (Hrsg.) (2003): Aqua Wasser (Ausstellungskatalog), Goethe-Institut, Universidad Nacional Autónoma de México, Museum de Universidad, MUCA, Mexico City.
Text aus dem Katalog zur Ausstellung: Ganado Kim, Edgardo; Scherer, Bernd M. (Hrsg.) (2003): Aqua Wasser (Ausstellungskatalog), Goethe-Institut, Universidad Nacional Autónoma de México, Museum de Universidad, MUCA, Mexico City.
Gesucht: Lagua / SE busca Lagua
In Mexiko-Stadt zuletzt gesehen im Wasserrückhaltebecken im Chapultepec-Park. Es handelt sich um ein Powergirl, das in Straßen, Mietshäusern sowie der Kanalisation gesichtet wurde und Überschwemmungen, Staus und Gebäudeeinstürze verursacht hat. Die Kunstrestauratorin Kata gab der Polizei folgende Beschreibung ab: "Es handelt sich um eine Art Frau, die sich in höchst gefährliches Wasser verwandeln kann". Ein erfahrener Ingenieur versichert, dass diese Hybridin die Wassersysteme von Mexiko-Stadt benutzt, um sich fortzubewegen. Sie ist daran zu erkennen, dass sie die Farbe wechselt, aber immer blaue Augen hat. Falls Sie sie gesehen haben, informieren Sie bitte folgende Adresse: www.agua-wasser.mx
Text aus dem Katalog zur Ausstellung: Ganado Kim, Edgardo; Scherer, Bernd M. (Hrsg.) (2003): Aqua Wasser (Ausstellungskatalog), Goethe-Institut, Universidad Nacional Autónoma de México, Museum de Universidad, MUCA, Mexico City, S.123.
Ausstellung mit Arbeiten von: Exhibition with works by: Miguel Calderón, Arcángel Constantini, Minerva Cuevas, Iván Edeza, Helen Escobedo, Thomas Glassford, Christian Jankowski, Anette Kuhn, César Martínez, Valeska Peschke, Betsabée Romero, Peter Strauss, Frank Thiel, Diego Toledo
Text aus dem Katalog zur Ausstellung: Ganado Kim, Edgardo; Scherer, Bernd M. (Hrsg.) (2003): Aqua Wasser (Ausstellungskatalog), Goethe-Institut, Universidad Nacional Autónoma de México, Museum de Universidad, MUCA, Mexico City, S.123.
Ausstellung mit Arbeiten von: Exhibition with works by: Miguel Calderón, Arcángel Constantini, Minerva Cuevas, Iván Edeza, Helen Escobedo, Thomas Glassford, Christian Jankowski, Anette Kuhn, César Martínez, Valeska Peschke, Betsabée Romero, Peter Strauss, Frank Thiel, Diego Toledo